Termine 2014: Schopenhauer und die Mystik

    Der Schopenhauer-Jour-Fixe des Jahres 2014 steht unter dem Titel "Schopenhauer und die Mystik". Das Hauptwerk des jungen Denkers - "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1819) - beschreibt einen Weg, der aus vier Stationen besteht. Er führt von der Vorstellungswelt über die Willensmetaphysik zur Kunst und schließlich zur Verneinung des Willens. Der Leser findet sich am Ende des Buches vor der Pforte des Nichts wieder. Hier endet die Aufgabe des Philosophen, der nur mit Begriffen arbeiten kann.

    Lebensbeschreibungen, Gedanken und Berichte von Mystikern erlauben es aber, die "Welt" aus der Perspektive ihrer Verneinung in den Blick zu bekommen. Im § 68 beschreibt Schopenhauer die Gemeinsamkeiten der Mystiker aller Kulturen und Zeiten. Dieser "mystischen Internationale" - Christentum, Judentum, Hinduismus, Buddhismus, Sufismus - war eine große Ausstellung in Zürich gewidmet ("Mystik - die Sehnsucht nach dem Absouten", Museum Rietberg, Zürich 2010), die ganz im Geiste Schopenhauers erstmals Ergebnisse einer "kulturvergleichenden Mystikforschung" präsentierte.

    Die Themen der vier Quartale orientieren sich an den Formen der Mystik, auf welche Schopenhauer sich in erster Linie bezieht. Textgrundlage sind die §§ 68 bis 71 des Hauptwerks. 

    I. Schopenhauer konnte von seiner Wohnung in der "Schönen Aussicht" auf das Deutschordenshaus schauen, wo "Der Frankfurter" ungefähr 450 Jahre vor ihm gelebt und gewirkt hatte. Dessen "Theologia Deutsch", eine "Grundschrift deutscher Mystik", hat er seit seiner Studienzeit sehr geschätzt und immer wieder zur Lektüre empfohlen.

    II. Gewährsmänner der christlichen Mystik waren für ihn in erster Linie Meister Eckhart und Jacob Böhme, dessen mystische Erfahrungen er mehrfach erwähnt und gegenüber idealistischen Versuchen, das Absolute zu evozieren, favorisiert. Auch der schlesische Dichter Angelus Silesius wird von ihm mit Vorliebe zitiert.

    III. Schopenhauers Lieblingsbuch war das Oupnek´hat (Upanischaden), das er als den "Trost seines Lebens und seines Sterbens" bezeichnete. Die große Bedeutung dieses Buches für die Entstehung des Hauptwerks ist erst seit neuestem bekannt. Es half dem jungen Philosophen, seinen "Kompass" (Urs App) östlich zu adjustieren und seinen eigenen Weg zu finden.

    IV. Der Sufismus spielt eine zentrale Rolle in der islamischen Mystik, der nicht nur Schopenhauer, sondern auch Goethe in hohem Maße verpflichtet war, wie dessen "Westöstlicher Divan" (1814) zeigt. Das Ideal der "mystischen Reinheit" läßt Schopenhauers Weg in einem neuen Licht erscheinen. 

    Der Jour-Fixe ist eine Veranstaltung der Ortsvereinigung Frankfurt a.M. der SchopenhauerGesellschaft e.V. Er findet in der Regel am letzten Donnerstag im Monat von 18.00 - 19.30 Uhr b.a.w. in den Räumen der Galerie La Brique, Braubachstraße 28 (Nähe Römer), statt. Es handelt sich um einen offenen Kreis. Interessierte sind herzlich willkommen!

    Information bei Dr. Thomas Regehly, Bischofsheimer Weg 26 A, 63075 Offenbach

    (Tel. 069 / 8678 7372, ab 21.00 Uhr) bzw. per Mail: thomas.regehly@t-online.de

    Termine und Themen

    1. Donnerstag, 30. Januar 2014: Der Frankfurter und die Theologia Deutsch
    2. Donnerstag, 27. Februar 2014: Jesus und die "wahre Gelassenheit"
    3. Donnerstag, 27. März 2014: Welt und Weltverneinung
    4. Donnerstag, 24. April 2014: Meister Eckhart und Jacob Böhme
    5. Donnerstag, 29. Mai 2014: Zwänge der christlichen Mythologie
    6. Donnerstag, 26. Juni 2014: "Seelenfünklein" und Licht der Vernunft
    7. Sommerpause
    8. Donnerstag, 28. August 2014: Indische Weisheit
    9. Donnerstag, 25. September 2014: Der Kompass wird justiert
    10. Donnerstag, 30. Oktober 2014: Prinz Dara, Rumi und der Sufismus
    11. Donnerstag, 27. November 2014: Schopenhauers Paradiese
    12. Donnerstag, 18. Dezember 2014: "Des Lebens Leben"

    Literatur

    • Urs App, NICHTS - Das letzte Wort von Schopenhauers Hauptwerk, in: Jochen Stollberg (Hg.), "Das Tier, das du tötest, bist du selbst..." - Schopenhauer und Indien. Begleitbuch zur Ausstellung anlässlich der Buchmesse 2006, Frankfurt a.M.: Klostermann, 2006 (Frankfurter Bibliotheksschriften Band 13), S. 51-60
    • Urs App, Schopenhauers Begegnung mit dem Buddhismus, in: 79. Schopenhauer-Jahrbuch, 1998, S. 35-56
    • Urs App, Schopenhauers Kompass. Die Geburt einer Philosophie, Rorschach/Kyoto, 2011
    • Georg Baring, Bibliographie der Ausgaben der "Theologia Deutsch". 1516-1961. Ein Beitrag zur Lutherbibliographie. In: Bibliotheca Bibliographica Aureliana VIII, Baden-Baden: Koerner/Heitz, 1963 (mit Faksimilieabdruck der Erstausgabe)
    • Albert Lutz (Herausgeber), Mystik - Die Sehnsucht nach dem Absoluten, Zürich 2011
    • Annemarie Schimmel, Sufi, München: Heyne, 1993
    • Annemarie Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam: Geschichte des Sufismus, Köln: Diederichs, 1985 / Frankfurt a.M.: Insel-Verlag 1995
    • Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. Faksimiledruck der ersten Auflage 1818 (1819), Frankfurt a.M.: Insel-Verlag, 1987
    • Arthur Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen. Im Auftrage und unter Mitwirkung von Paul Deussen zum ersten Mal vollständig herausgegeben von Franz Mockrauer. Zweite Hälfte.
    • Metaphysik der Natur, des Schönen und der Sitten (Sämtliche Werke. Herausgegeben von Paul Deussen. 10. Band), München: Brockhaus, 1913
    • Arthur Schopenhauer, Metaphysik der Sitten. Philosophische Vorlesungen Teil IV. Aus dem handschriftlichen Nachlaß herausgegeben und eingeleitet von Volker Spierling, München/Zürich: Piper-Verlag, 1984
    • Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, § 68-§ 71, in: Werke in fünf Bänden. Nach den Ausgaben letzter Hand herausgegeben von Ludger Lütkehaus, Zürich: Haffmans, 1988
    • Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, § 48-§ 50, in: Werke in fünf Bänden. Nach den Ausgaben letzter Hand herausgegeben von Ludger Lütkehaus, Zürich: Haffmans, 1988
    • „Der Franckforter“: Theologia Deutsch. In neuhochdeutscher Übersetzung herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Alois M. Haas. Johannes Verlag (Christliche Meister 7), 2. Auflage Freiburg i.Br. 1993
    • „Der Franckforter“: Theologia Deutsch. Kritische Textausgabe , hrsg. von Wolfgang von Hinten, München/Zürich: Artemis-Verlag, 1982 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Band 78) – Zugleich Dissertation Würzburg 1976
    • Theologie Deutsch. Eine Grundschrift deutscher Mystik. Herausgegeben und eingeleitet von Gerhard Wehr, Freiburg i.Br.: Aurum-Verlag, 1980, 2. Auflage Königsdorf: Königsdorfer Verlag, 2012 (mit einem Vorwort und Exkurs über die reformatorischen Mystiker)